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Das Thema
Stressinkontinenz
Stuhlinkontinenz
Dranginkontinenz

HR Prof. Dr. Helmut Madersbacher
Vorsitzender der GIH Österreich

DRANGINKONTINENZ


Sie ist entweder durch eine Hyperaktivität oder eine Hypersensibilität der Blase
verursacht. Bei der Hyperaktivität der Blase (sog. motorische Urge, Grafik Blase 2)
führen willkürlich nicht unterdrückbare Detrusorkontraktionen zum unfreiwilligen
Harnabgang. Bei der hypersensiblen Blase kommt es bereits bei kleinen
Füllungsmengen der Blase zu einem meist quälenden, letztlich schmerzhaften und nicht
mehr beherrschbaren Harndrang, der zur Blasenentleerung zwingt (sog. sensorische
Urge). Eine Vielzahl von pathologischen Zuständen kann zur Dranginkontinenz führen.
Grundsätzlich besteht ein Gleichgewicht zwischen der Stärke der von der
Peripherie in das zentrale Nervensystem einfließenden und zur
Großhirnrinde gelangenden Impulse und der Fähigkeit des Großhirns,
diese zu modulieren und zu kontrollieren. Sowohl eine Schwächung der
Kontrollmechanismen als auch eine Verstärkung der afferenten Impulse,
mitunter auch eine Kombination von beiden, können dieses
Gleichgewicht stören und Dranginkontinenz verursachen.
Nach dem klassischen Konzept führen in erster Linie alters- und
krankheitsbedingte Veränderungen im zentralen Nervensystem, vor allem
im Gehirn, zur cerebral enthemmten Blase. Auch altersbedingte
Veränderungen im Blasenmuskel machen diesen leichter erregbar. Auf
der afferenten Seite können chronische Entzündungen, lang anhaltende
Obstruktionen im Bereiche des Blasenauslasses (Prostatavergrößerung,
Harnröhrenverengung), aber auch Tumoren oder Strahlenschäden der
Blase das erwähnte Gleichgewicht stören. Ist keine Ursache fassbar,
spricht man von einem idiopathischen Reizblasensyndrom, für das u. a.
auch Störungen im psycho-vegetativen System verantwortlich gemacht
werden.



Die Behandlung besteht zunächst darin, fassbare Ursachen zu beseitigen
(Infektbehandlungen, Prostataoperation, Tumorbehandlung); persistieren
die Symptome trotz Beseitigung einer vermeintlichen Ursache oder ist
eine solche nicht fassbar oder nicht zu beseitigen, so beruht das
Therapiekonzept auf zwei Säulen: dem Blasentraining und der
Pharmakotherapie.
Ziel der medikamentösen Behandlung ist es, den überaktiven
Blasenmuskel ruhig zu stellen und die sensible Reizschwelle für den
Harndrang herabzusetzen (Oxybutynin, Propiverin, Trospiumchlorid).
Das Blasentraining kann entweder als Miktions- oder als Toilettentraining
durchgeführt werden. Unter dem Miktionstraining verstehen wir die
aktive Verlängerung von zu kurzen, ggf. auch die Verkürzung von zu
langen Miktionsintervallen mit dem Ziel, eine effiziente Blasenentleerung
und Kontinenz zu erreichen. Voraussetzung für ein erfolgreiches
Miktionstraining ist die aktive Mitarbeit des Betroffenen. Ist diese nicht
oder nicht ausreichend gegeben, so wird anstelle des Blasentrainings ein
Toilettentraining durchgeführt. Dieses besteht darin, dass man die
Blasenentleerungsintervalle der individuellen Blasenkapazität anpasst,
wobei der Betroffene durch das Pflegepersonal zum Toilettengang
aufgefordert bzw. begleitet werden muss.
Grundlage für das Miktions- und das Toilettentraining ist das
Blasenentleerungsprotokoll, das uns über die Miktionszeit und die
Miktionsmenge sowie über die Einnässfrequenz informiert und aufgrund
dessen die Blasenentleerungsintervalle festgelegt werden. Beim
Miktionstraining werden die Entleerungsintervalle schrittweise gesteigert,
wobei das Blasenentleerungsprotokoll zur Therapiekontolle, aber auch als
Feedback für den Betroffenen weitergeschrieben wird.
Sind die Medikamente nicht ausreichend wirksam oder werden diese
nicht vertragen, so steht als Alternative die Elektrotherapie zur
Verfügung: Durch Stimulation der afferenten Bahnen des N. pudendus,
entweder über seine Äste im Beckenboden oder durch den rein sensiblen
N. dorsalis penis/clitoridis, kann man eine effektive Detrusordämpfung
erreichen. In besonders hartnäckigen Fällen können die Sakralnerven
auch direkt durch ein Implantat stimuliert werden.
Bei jüngeren Patienten mit erheblichem Leidensdruck und entsprechender
Motivation können auch operative Verfahren wie die Blasenaugmentation
(Vergrößerung der Blase z. B. in Form der Autoaugmentation) zur
Heilung führen. Bei inkurabler, quälender Dranginkontinenz, die mitunter
Patienten zum Suicid treiben kann, besteht die operative Behandlung in
der Entfernung der Blase (Cystektomie) unter Bildung einer
Darmersatzblase.

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